Das ist die Handlung bis Seite 50: eine Frau stirbt und wird
beerdigt.
Allerdings wurden bis hierhin 32 (!) Personen eingeführt und
zahlreiche weitere namentlich erwähnt. Wer trotzdem weiterlesen möchte, braucht
gute Nerven, denn auch wenn Tinglers Roman durchaus seine Qualitäten hat, so
liegen sie doch eher im Verborgenen.
Sie blitzen durch in witzigen Dialogen: „Du weißt, was
passiert, wenn man Dinge systematisch unterdrückt und verdrängt …“ – „Ja. Sie
verschwinden.“
Sie schimmern aus gelegentlichen Bonmots hervor: „Ich weiß,
dass sie mich auf ihre Art liebt. Aber ihre Art passt mir irgendwie nicht.“
Und ab und zu verbergen sie sich auch in Sätzen mit
erstaunlichem Tiefgang: „Denn nicht das Glück ist der Sinn der Liebe oder des
Lebens überhaupt, das denken nur die Glücksdeppen oder höchstens noch die
Gesundheitsapostel, denen jeder Bezug zur Transzendenz verlustig gegangen und
für die deshalb das Leben selbst das höchste Gut ist.“
Doch das sind vereinzelte Perlen in einem Ozean voller
Miesmuscheln. Denn leider ist Tinglers Witz – ganz unverkennbar orientiert am unerreichten
Esprit eines Oscar Wilde – in den meisten Fällen bemüht, die Ironie viel zu
dick aufgetragen. Tinglers Sprache, mal salopp, mal von nahezu kleistscher
Geschraubtheit, wird selten dem Gegenstand gerecht.
Lassen wir die Handlung am besten außen vor, denn es gibt ja
kaum eine. Die originelle Grundidee des Romans – ein Mann macht anstelle seines
besten Freundes eine Therapie, damit dieser mehr Zeit für sein Hobby hat – gäbe
viel mehr her, als dieser Roman bietet. Denn abgesehen von einer slapstickartigen
Verwicklung und einigen mäßig lustigen Dialogen zwischen dem Protagonisten und
dem Psychologen verpufft sie wirkungslos.
In erster Linie geht es Tingler um Gesellschaftskritik, und
zu diesem Zweck nimmt er die obersten Tausend der Stadt Zürich aufs Korn: ihren
Müßiggang, ihre Intrigen, ihre Luxusproblemchen zwischen Facelifting und
Erbschleicherei, ihre geistige und emotionale Beschränktheit im Kontrast zu
ihren ziemlich unbeschränkten finanziellen Verhältnissen. Fraglich ist, ob wir
dafür wirklich alle tausend namentlich und mitsamt ihren hässlichsten
Eigenheiten persönlich kennenlernen müssen, denn die meisten Nebenfiguren haben
keine erkennbare Funktion.
Man kann sich Schöne
Seelen, reduziert auf vielleicht sieben handelnde Personen, ganz gut als Boulevard-Komödie
vorstellen, einschließlich der zu erwartenden Lacher bei platten Gags und
ulkigen Grimassen der Schauspieler. Das hätte im Vergleich zum Roman darüber
hinaus den entscheidenden Vorteil, dass die betäubende Menge an
Orthografiefehlern und die recht lieblose Aufmachung des Buches nicht so stören
würden.
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