Prügelei auf Zottelteppich: Martin Schult auf der Leipziger Buchmesse

Flokati oder mein Sommer mit Schmidt – so heißt der Debütroman des Berliners Martin Schult, der Mitte März bei Ullstein erschienen ist. Aber eigentlich ist der 49-Jährige kein Neuling in der Literaturszene. Immerhin arbeitet er seit über zehn Jahren für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels und betreut die Vergabe des Friedenspreises.

Meine Rezension des Romans findet sich hier. Am Ullstein-Stand auf der Leipziger Buchmesse war ich mit Martin Schult verabredet, um über sein erstes Buch zu sprechen.




Natürlich drängt sich die Frage nach biografischen Bezügen bei einem Coming-of-Age-Roman wie diesem, der 1974 in Frankfurt am Main spielt, geradezu auf, auch wenn ich grundsätzlich nicht zwischen jedem Romanhelden und seinem Schöpfer eine unmittelbare Verbindung wittere. Martin Schult bestätigt diese Vermutung.

Auch er hat in Frankfurt gelebt und bezeichnet 1974 sogar als sein „Goldenes Jahr“. Nach zahlreichen Umzügen mit der Familie fühlte er sich endlich in einer Heimat angekommen, schloss Freundschaften und genoss das Gefühl der Sesshaftigkeit. Zwar war er fünf Jahre jünger als sein Protagonist, der zwölfjährige Paul, aber die zahlreichen zeitgeschichtlichen Details vom David-Cassidy-Starschnitt über Balla-Eis bis hin zu den Ereignissen der Fußball-WM sind authentisch und erkennbar selbst erlebt. Die Letztere hat übrigens auch beim Autor – genau wie bei Paul – das Interesse am Fußball geweckt; zuvor konnten beide diesem Sport nicht viel abgewinnen.


Ausgangspunkt für den Roman war ein Gespräch mit dem Friedenspreis-Träger Péter Esterházy, dem Schult die ebenfalls authentische Prügelei seiner Eltern auf dem Flokati-Teppich schilderte. Bei diesem handfesten Streit ging es tatsächlich um Zettels Traum von Arno Schmidt, jenes Buch, das auch für den Roman eine maßgebliche Rolle spielt. Esterházy fand die Anekdote so charmant, dass er den Börsenvereins-Mitarbeiter ermunterte, sie aufzuschreiben.

Und das tat Schult. Er druckte sie sogar aus und verpasste ihr einen Einband aus Flokati, um sie seiner Frau zu schenken. Das handgefertigte Stück Literatur stand jahrelang im Regal und geriet in Vergessenheit. Erst als es Schult bei einer Aufräumaktion auf den Kopf fiel, erinnerte er sich wieder an die Szene von damals, und in ihm erwachte der Wunsch, sie zur Grundlage eines Romans zu machen.  

Auf meine Frage nach der ungewöhnlichen Struktur des Romans – er besteht sowohl aus Briefen als auch aus erzählenden Passagen, die aber ebenfalls in der Ich-Form verfasst sind – erklärt der Autor, dass es in älteren Versionen ursprünglich nur die Letzteren gegeben habe. Später habe er dann noch die Erzählebene der Briefe eingeführt, um den Protagonisten vielschichtiger reflektieren zu lassen.


Bei Romanen mit so viel Zeitkolorit besteht die Gefahr, dass sie ihre Wirkung ausschließlich aufgrund der nostalgischen Erinnerungen entfalten, die sie in ihren Lesern wachrufen. Flokati reicht darüber hinaus, und dass das Manuskript auch seine Lektorin bei Ullstein begeistern konnte, die 1974 noch gar nicht auf der Welt war, hat Schult sowohl gefreut als auch bestätigt.

Nun arbeitet er auch schon an seinem zweiten Projekt: einem Krimi, der in Österreich spielt – sicherlich nicht zufällig in jenem kleinen Ort, in dem er seit acht Jahren regelmäßig mit der Familie Urlaub macht. Und ebenso wenig Zufall dürfte es sein, dass ausgerechnet ein Berliner Polizist mit der Aufklärung des Falles beauftragt wird. Auf diesen Culture Clash darf man sich bereits freuen, und ich verrate exklusiv auf „Schreib, so laut du kannst“ das Geheimnis, dass der Tod der Weinhaus Emmi darin eine Rolle spielt.

Die „Promotion“ für seinen Erstlingsroman hat gerade erst begonnen, aber bei seinen ersten Lesungen hat Schult bereits ein interessantes Konzept entwickelt: Er lässt das Publikum entscheiden, welche Passagen des Romans er vorträgt. Das funktioniert bei Flokati gut, denn das Buch ist sehr anekdotisch aufgebaut und wartet mit allerhand skurrilen Charakteren auf.


Wer sich das in Berlin gern mal ansehen und selbst mitentscheiden möchte, hat dazu die Möglichkeit am Donnerstag, 14. April. Da ist Martin Schult um 19.30 Uhr in der Buchhandlung amNonnendamm zu Gast.



Kommentare