Das Leben des 15-jährigen
Darren Jacobs steckt gerade mitten in einer radikalen Veränderung. Sein älterer
Bruder Nate, zu dem er ein enges Verhältnis hat, ist in eine weit entfernte
Stadt gezogen, um zu studieren. Seine Mutter ist nach der Trennung von ihrem
Mann fast nur noch beruflich in Kalifornien unterwegs. Und dann eröffnet sein
Vater ihm auch noch, dass er schwul ist.
Gleichzeitig beginnen
Mädchen in Darrens Leben eine größere Rolle zu spielen. Besonders Zoey, die
eigentlich gar nicht sein Typ ist, mit der er jedoch ein außergewöhnliches
Wochenende verbringt und die er seither nicht mehr aus dem Kopf bekommt, obwohl
sie wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint. Leider kann daran auch die
nette Rachel nichts ändern, die voller Zuneigung an Darren hängt und sich mehr
erhofft.
Mit Ausnahme der unerwarteten
Enthüllung seines Vaters hat Darren also überwiegend mit relativ
durchschnittlichen Problemen zu kämpfen, wie sie wohl den meisten Teenagern
seines Alters begegnen: erste Kontakte mit Alkohol und Cannabis, Fahrprüfung,
Auftritte mit dem Schulorchester, Knutschereien ohne Fortsetzung, nervtötende
elterliche Auseinandersetzungen und das Fehlen eines besten Kumpels, mit dem
man alles besprechen könnte.
Wirklich einzigartig wird
Todd Hasak-Lowys Roman allerdings durch seinen formalen Aufbau. Er gliedert
sich in vier Teile, von denen jeder einen Tag in Darrens Leben wiedergibt, zwei
davon im April, einen im September und zum Schluss seinen 16. Geburtstag Ende
November. Jedes Kapitel dieser vier Teile besteht aus einer Liste mit 0 bis 43
Stichpunkten, die aber die Geschichte genauso chronologisch forterzählen, wie
das auch ganz normale Prosa täte – nur dass sich durch diesen formalen Kniff
die Chance eröffnet, vieles zu erklären, das sich sonst nur mühsam so kompakt
in einem Roman unterbringen lässt, beispielsweise „12 Eckdaten zur Person von
Darren Jacobs“, eine Liste, durch die der Leser in Kurzform ein umfassendes Bild
des Protagonisten geliefert bekommt.
Die Listen enthalten auch
Gedanken, die Darren sich macht („8 weitere Folgerungen aus der neuen Situation,
über die Darren nachdenkt“), sind teilweise als längere Dialoge aufgebaut („43
Bestandteile eines Streits, der so unvermittelt ausbricht, dass Darren schon
zehn Sekunden später nicht mehr genau weiß, wie er anfing“), liefern
Rückblenden („6 Dinge, die passieren mussten oder noch müssen, bevor die Accidents einen echten [bezahlten]
Auftritt landen können“) und sind häufig skurril, witzig oder ironisch.
Man darf sich Dass ich
ich bin ist genauso verrückt wie die Tatsache, dass du du bist trotz dieses
formalen Aufbaus nicht als trockene Aufzählung von Fakten oder Stichpunkten
vorstellen. Tatsächlich gibt es innerhalb der einzelnen Punkte immer wieder
längere erzählende Passagen, die sprachlich sehr gut auf die Zielgruppe
abgestimmt und dabei literarisch durchaus anspruchsvoll sind. Die Listenform
ist also keine Einschränkung, sondern eine originelle und humorvolle
Durchbrechung und letztlich Erweiterung des literarischen Erzählens.
Dass jede Liste eine eigene neue Seite bekommt, manche aber sehr kurz sind, erklärt übrigens auch das enorme Volumen des Buches. Gleichzeitig könnte das durchaus ein Anreiz für etwas weniger lesefreudige Teenager sein, denn der Text wird in überschaubaren Häppchen geliefert und lässt sich auch mit einer geringeren Aufmerksamkeitsspanne gut bewältigen.
Ob man den Roman nun
unter diesem Aspekt der Originalität liest oder ihn einfach als anrührende
Coming-of-Age-Geschichte mit einigermaßen glücklichem Ende aufnimmt, bleibt dem
Leser selbst überlassen. So oder so wird deutlich, dass der pummelige, einsame
und noch recht kindliche Darren innerhalb der beschriebenen sieben Monate eine
deutliche Entwicklung durchgemacht hat.
Todd Hasak-Lowy: Dass ich ich bin ist genauso verrückt wie die Tatsache, dass du du bist, Beltz & Gelberg, 654 Seiten, 18,95 Euro
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